Knifflige Fragen des Alltags
29.04.2016, Augsburger Allgemeine
Jeder kennt sie, die Situationen, in denen man nicht genau weiß, wie man sich richtig verhalten soll. Wir haben zwei Expertinnen für Psychologie und Anstandsfragen um Rat gebeten.
Mein Sitznachbar in der Straßenbahnhört extrem laute Musik. Darf ich sagen, dass mich das stört?
„Stört einen die laute Musik, kann man den Fahrgast durchaus darauf aufmerksam machen, indem man beispielsweise sagt: Ich lese geradeetwas und kann mich schwer konzentrieren, wenn die Musik so laut ist. Könnten Sie bitte etwas leiser machen?‘“, empfiehlt die Psychologin Ulrike Hess. „Möchte man nichts sagen, kann man sich auch umsetzen. Fährt man nur eine Station mit der Straßenbahn, würde ich die Musik einfach ertragen“, sagt die bayerische Vorsitzende vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen.
Ich ziehe in ein Haus mit mehreren Parteien. Muss ich mich bei jedem persönlich vorstellen?
„Natürlich ist es sinnvoll, wenn Sie in ein Mehrparteienhaus einziehen, sich bei ihren Nachbarn vorzustellen”, sagt Expertin Stefanie Frieser vom Deutschen Kniggebund. „Bedenken Sie, dass Sie das Zusammenleben mit ihren Nachbarn erleichtern, wenn diese wissen, wer als neues Mitglied in die Hausgemeinschaft kommt. Die Vorstellung beiden Nachbarn und vielleicht sogar eine kleine Einladung schaffen eine gute Atmosphäre.“
Mein Chef oder Kollege will mit mir auf Facebook befreundet sein. Muss ich die Freundschaftsanfrage annehmen?
„Nein, Sie müssen den Freundschaftsantrag nicht annehmen“, sagt Knigge-Expertin Frieser. „Wenn Sieablehnen, müssen Sie ihre Entscheidung aber erklären. Zum Beispiel: ‘Es ehrt mich, auf Facebook bin ich aber hauptsächlich mit Bekanntenaus meinem privaten Umfeld verlinkt. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn ich Sie auf XING oder LinkedIn als Kontakt anfragen dürfte. “Also immer die Person wertschätzen und dann die Ablehnung erklären. Damit blocke ich nicht in dem Maße ab, dass sich die Person nicht wertgeschätzt fühlt.“
Ich bekomme zum Geburtstag ein Geschenk, das mir überhaupt nichtgefällt. Soll ich das der Person sagen? Und darf ich das Geschenk auch umtauschen?
„Generell würde ich unterscheiden, von wem ich das Geschenk bekommen habe“, sagt Psychologin Hess. „Zu meinem Chef oder den Kollegen würde ich nicht sagen, dass mir das Geschenk nicht gefällt. Ich würde mich bedanken und das Geschenkbeiseitelegen. Bekomme ich das Geschenk von meinem besten Freund, sieht es anders aus. Gefällt einem das Geschenk überhaupt nicht, sollte man den Mut aufbringen und es ihm ehrlich sagen. Freude vortäuschen, würde ich nicht. Gute Bekannte merken das sehr schnell. Das Geschenkumtauschen, kann man schon, aber man sollte den Schenkenden informieren. Kommt es raus, dass man das Präsent heimlich zurückgegeben hat, kann das einen Riss in der Beziehung geben.“
Ein Kollege hat ein Salatblatt zwischen den Zähnen oder die Hosenfalle offen. Soll ich ihn darauf aufmerksam machen?
„Ich würde das immer ansprechen, aber nicht in der großen Runde”, sagt Psychologin Hess. „Man kann seinem Kollegen in einem leisen Tondarauf aufmerksam machen, dass er noch etwas zwischen den Zähnen hat. Der Kollege wird sicher erleichtert sein, wenn Sie ihn darauf ansprechen. Bei einer offenen Hosenfalle ist die Situation etwas anders. Unter Frauen oder Männern kann man sich problemlos darauf aufmerksam machen. Meinem Chef oder einem männlichen Kollegen würde ich es als Frau nicht sagen, weil man den anderen in eine peinliche Situation bringt. Viel eher würde ich einen vertrauten Kollegen bitten, die Info an besagten Kollegen weiterzugeben.“
Ich bin Vegetarier oder Veganer. Kann ich davon ausgehen, dass der Gastgeber auch für mich etwas zu Essen vorbereitet?
„Es ist unhöflich, sein eigenes Essenmitzubringen“, sagte Kniggeexpertin Frieser. „Ein guter Gastgeberfragt die Vorlieben und Unverträglichkeiten seiner Gäste im Voraus ab. Grillt man gemütlich im Freundeskreis, kann man anbieten, etwas mitzubringen, um dem Gastgeber die Arbeit zu erleichtern. Bei einer offiziellen Runde mit Kollegen und dem Chef bringt man zwar ein Gastgeschenk, nicht jedoch sein eigenes Lunchpaket mit. Merkt man allerdings, dass der Chef mit den Planungen für die Party überfordert ist, kann man fragen: ,Würde es die Arbeiterleichtern, wenn ich etwas mitbringe? ‘Das sollten Sie aber im Voraus klären.“
Ich bin neu in der Firma. Ein Kollege stellt sich mir mit dem Vornamenvor. Bedeutet das, dass ich ihn duzen darf?
„Stellt sich jemand mit dem Vornamenvor, heißt das nicht automatisch, dass man sich duzt“, sagt Knigge-Expertin Stefanie Frieser.„Sind Sie sich unsicher, wie die Gepflogenheiten in der Firma sind, fragen Sie einfach nach, am besten den Kollegen selbst oder notfalls auch Inder Personalabteilung. Es gilt immer: Der hierarchisch Höhere bietet das „Du“ an.“