Knigge Alltagsfrage: Soll ich im Bus im Zweifel lieber aufstehen?
Leser der Nürnberger Nachrichten stellen Alltagsfragen rund um das menschliche Miteinander.
Heute: „Es ist klar, dass man älteren Menschen im Bus den Platz anbietet. Manchmal gibt es aber Grenzfälle, bei denen ich unsicher bin, ob ich die Leute nicht beleidige, wenn ich ihnen einen Platz anbiete. Soll ich im Zweifel lieberaufstehen oder sitzen bleiben?“
Es antwortet Knigge-Expertin Stefanie Frieser:
Grundsätzlich hat es nichts mit dem Alter zu tun, ob ich jemandem meinen Platz anbiete, sondern es hängt von der Situation ab: Wenn ich sehe, dass eine voll bepackte junge Mutter mit zwei Kindern in dieStraßenbahn kommt und ich mich fit fühle, dann stehe ich natürlich auf. Es geht darum, sich in den anderen hineinzuversetzen. Ist er oder sie in einer Situation, in der er einen Sitzplatzgebrauchen könnte? Das hat etwas mit Respekt dem anderen gegenüber und mit echtem Interesse an meinen Mitmenschen zu tun.
Konkret zur Frage:
Im Zweifel ist es besser, dem anderen lieber etwas zu viel Respekt entgegenzubringen als zu wenig. Also biete ich im Zweifel den Platz an. Natürlich ist das keine Einbahnstraße, denn der andere muss es auch annehmen wollen. Will er esnicht, sagt er vielleicht „Nein, lassen Sie mal“, dann ist das auch in Ordnung. Das Risiko, jemanden zu brüskieren, kann ich auch mindern, indem ich etwas sage, das nichts mit derAltersfrage zu tun hat. Zum Beispiel: „Ich sehe, Sie sind voll bepackt, möchten Sie sich setzen?“ Oder: „Das Wetter ist heute eine echte Kreislaufherausforderung, darf ich Ihnen meinen Platz anbieten? Ich sitze schon die ganze Zeit.“ Damit rückt man etwas anderes in den Fokus als das Altersargument. Man kann das immer so formulieren, dass es respektvoll bleibt. Denn Respekt hat nichts mit demAlter, sondern mit der Kommunikation auf Augenhöhe und Empathie zu tun. Angenommen, eine 20-Jährige auf wahnsinnig hohen High Heels kommt in die U-Bahn, und ich sehe, dass ihr die Füße wehtun, dann stehe ich auch auf und frage, ob wir Platz tauschen wollen. Im Übrigen sollte man das nie oberlehrerhaft tun, wenn ein Jüngerer neben einem sitzt. So nach dem Motto, eigentlich müsste doch er aufstehen. Statt dem jüngeren Menschen vorwurfsvolle Blicke zuzuwerfen, sollte man einfach entspannt Vorbild sein. Dann bringt man mit dem eigenen Handeln vielleicht etwas bei ihm zum Klingen und er macht es das nächste Mal auch.
Quelle: Nürnberger Nachrichten